In die Karten geschaut: Wie arbeitet die Kartographie bei Garmin?

(von Jacqueline Warnecke) Garching ist die Geburtsstätte der Outdoor-Karten von Garmin. Eine eigene Abteilung sorgt an diesem Standort dafür, dass draußen, beim Laufen, Trailrunning, Walken oder Mountainbiken niemand die Orientierung verliert. Aber wie entsteht eigentlich so eine Karte? Das habe ich mich schon seit einiger Zeit gefragt. Und die Chance genutzt, einmal einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Ich durfte in die geheimen Hallen der Kartographie und war verabredet mit Manfred Schmutzler.


Den Weg von meinem Büro ins Reich der Karten finde ich ohne digitale Hilfsmittel. Ein paar Treppenstufen, zweimal abbiegen, schon bin ich da. Im Reich der Karten. Karten? Oder Karte? Ich überlege: Gibt es vielleicht gar nicht die eine Karte?

[one_half][box title=”Manfred Schmutzler” border_width=”1″ border_color=”#d6d6d6″ border_style=”dotted” align=”left”]manfred-schmutzlerManfred Schmutzler
Manager Cartography & Software Development bei Garmin[/box][/one_half]

Als ich im Reich der Karten ankomme herrscht dort schon muntere Betriebsamkeit. Auf den ersten Blick sieht es nicht anders aus als bei mir: Büros mit Schreibtischen, Computern, ein paar Bilder an den Wänden, das Übliche eben. Ich treffe Manfred Schmutzler, und die Frage, die mich auf dem Weg schon beschäftigte, sprudelt aus mir heraus: Was gibt es denn für Karten? „Im Bereich der Outdoor-Karten werden zwei Arten unterschieden: die Raster- und die Vektorkarte.“ erklärt mir Manfred. Der 33-jährige ist studierter Diplomgeograph und hat mit der Position als Manager Cartography & Software Development bei Garmin seine Leidenschaft zum Beruf gemacht.

Vektorkarten mit gestochen scharfen Details

Erstere besteht aus einer festen Anzahl von Pixeln. Sie kann zwar vergrößert und verkleinert werden, verändert sich dadurch inhaltlich aber nicht. Die Ansicht wird lediglich pixeliger oder übersichtlicher. Die zweite Variante ist die komplexere Vektorkarte. Hier bekommen verschiedene Objekte Zuordnungen und Attribute mit denen sie nach einer festgelegten Definition ab einem bestimmten Zoom erscheinen oder verschwinden. „Vergrößert man diese Karte, sieht man mehr Details“, sagt Manfred und zeigt auf seinen Bildschirm. Durch die sich anpassenden Pixel bleibt alles gestochen scharf, jedes Detail ist zu erkennen. Kleine Kartenkunde gefällig?

Tatsächlich fand die Vektorkarte noch vor der Rasterkarte ihren Weg auf die verschiedenen Geräte. Da sie weniger Speicherplatz braucht konnte sie besser auf die früher sehr kleinen Speicherkarten gepackt werden. Inzwischen spielt Speicherplatz nur noch eine untergeordnete Rolle, und es werden teilweise Rasterkarten bestimmter Gebiete als Ergänzung auf das Gerät gespielt. Primäres Einsatzgebiet sind Wanderkarten von Alpenvereinen, welche sich großer Beliebtheit erfreuen. So kann der Nutzer auch auf die ihm bekannten Papier-Karten virtuell zugreifen.

Ich verstehe – und bin froh, diese Frage (die mir auf dem Weg zu Manfred zugegebener Maßen auch etwas profan vorkam) gestellt zu haben. Schließlich nutze ich als Wanderer die Karte oftmals nur, um mir einen ergänzenden Überblick zu verschaffen. Für den Rest helfen die Markierungen am Wegesrand weiter. Würde ich mich aber im unwegsamen Gelände mit dem Fahrrad bewegen wäre ich auch dankbar für eine Vektorkarte.

Etliche unterschiedliche Datenquellen


Aber ich will noch mehr wissen. Schließlich ist es für mich immer noch ein kleines Mysterium, wie Manfred und seine Kollegen zu den ganzen Informationen kommen, die eine Karte bereithält: „Wie wird denn nun eine solche Karte zu dem, was sie zum Beispiel auf einem Garmin Oregon letztlich ist?“. „Da müssen wir wohl etwas weiter ausholen“, erklärt mir Manfred schmunzelnd. Zu Beginn gibt es nur die reinen Daten über Wege und Straßen. Diese werden von spezialisierten Firmen oder Verbänden zur Verfügung gestellt. Ein Teil der Karten kommt von Vermessungsämtern, ein anderer von Wander- oder Tourismusverbänden. Also etliche unterschiedliche Datenquellen.

Zudem gewinnt das Portal „Open Street Map“ an Bedeutung. Hier können Daten von Straßen, Flüssen, Wäldern, Pfaden und mehr bezogen werden. Speziell bei diesen Daten kann es tatsächlich sein, dass der Weg auf einer Karte von jemandem mit GPS-Gerät abgegangen, aufgezeichnet und anschließend hochgeladen worden ist. Eine echte Bereicherung, aber auch ein aufwändiger Prozess, die Informationen zu prüfen und zu verifizieren.

karten-garmin-screen2

Einige Karten sind nun schon relativ detailliert, bei anderen muss das Grundgerüst der Straßenkarten nun noch um die Wanderwege, Pfade, Stege und vieles mehr ergänzt werden. „Hier fängt die Arbeit erst richtig an“, sagt Manfred. Jede der Datenquellen hat eigene Schemata und verwendet unterschiedliche Formatierungen. Diese müssen nun harmonisiert, „Garmin-konform“ abgeändert werden. Dabei werden die „Attribute“, also Eigenschaften eines Objekts, angepasst. Unter anderem werden Objekte wie Seen karten-garmin-64soder Flüsse kategorisiert. So eröffnet sich die Möglichkeit, später festzulegen welche Kategorie bei welcher Zoom-Größe zu sehen ist. „Eine solche Differenzierung macht Karten übersichtlich und höchst informativ zugleich“, erklärt Manfred.

Ich habe das Bild vor Augen, wie sich Schicht für Schicht die einzelnen Informationen zusammenfügen und immer mehr von dem sichtbar wird, was ich dann als Karte wahrnehme. Für diese Aufgaben gibt es verschiedene Algorithmen die bereits große Datenmengen abarbeiten. Die langen Prozess-Ketten die hierfür notwendig sind, bringen mich schon beim Ansehen ins Schwitzen. Was übrig bleibt ist Handarbeit und wird von einem Mitarbeiter manuell erledigt – überprüft und eingetragen. Welche Daten dies sind variiert von Mal zu Mal. Einmal mehr wird mir bewusst was alles hinter einer solchen Karte steckt und das sogar unsere hochtechnisierte Welt nicht nur dank Computern läuft – ein sehr beruhigender Gedanke.

“Keine Hexerei, sondern Handwerk”

karten-garmin-oregonEin wirklich umfangreicher und komplexer Prozess, der sich dank Manfred, der mir jeden einzelnen Schritt ausführlich und verständlich erklärt, viel besser nachvollziehen lässt. An sich ganz logisch, denke ich mir, aber auf alle Fälle eine Kunst für sich – und jede Menge Arbeit: An einer solchen Aufarbeitung kann ein Team von 2-3 Personen mehrere Monate sitzen. Natürlich ist dies abhängig von Größe und Bearbeitungsaufwand der Rohdaten der jeweiligen Karte. Für die Experten aus dem Team von Manfred ist ihr Job keine Hexerei, sondern Handwerk. Ich als Laie bin da natürlich anderer Meinung. Wäre ich für die Karten verantwortlich würdet ihr wahrscheinlich immer noch mit Bleistift und Papier durch den Wald irren…

Wenn die aufwändige Vorarbeit abgeschlossen ist, wird die gesamte Karte in eine SQL-Datenbank importiert. Es werden letzte Feinarbeiten vorgenommen und schließlich, am Ende dieses Prozesses, wird die endgültige Karte errechnet. Nun muss sie nur noch auf die jeweiligen Geräte gespielt werden. Eine perfekt aufgearbeitete Datenreihe und der passende Routingalgorithmus garantieren die sichere Routenplanung auf der Karte. Also auf die Karten, fertig, los!

Schreibe einen Kommentar