6 Dinge, die ein Mountainbikeguide können muss

Stefan Schlie - BikeguideEin Mountainbikeguide braucht kein GPS-Gerät… Weil er dann als doof gilt. Nicht vorbereitet. Unsicher, orientierungslos, unprofessionell. Doch stimmt das wirklich? Oder kann das GPS-Gerät ein sinnvoller und sogar lebensrettender Begleiter sein?

Moin erstmal. Mein Name ist Stefan Schlie. Ich war viele Jahre einer der besten Trialbiker Deutschlands und eigentlich der Welt. Weil man als Trialer nicht wie ein Tennisspieler oder Fußballer in einer relativ kurzen Karriere seine Schäfchen ins Trockene bringen kann, muss man durch Shows, Fahrtechnikkurse und Guiding seine Passion zur Profession machen.

So geschah es, dass ich durch einen Zufall 1997 auf die Isla Bonita, also La Palma, die westlichste  Insel des Kanarenarchipels kam und diesen wunderschönen Ort zu lieben lernte. In den folgenden Jahren kamen dann aber die ersten GPS-Geräte auf die Insel, die Linien aufzeichneten und somit die geheimen Spots der Locals massiv verbreiteten.

Step by Step sammelte sich so ein immenses Portfolio an Linien in dieser Welt an. Es wird vermeintlich einfacher. Jeder kann nach Linie fahren. Wer nach Linie fährt kann nix, lautet eine Meinung unter den Guides. Deswegen ist es auch heute noch für Kunden und auch Guidekollegen komisch, wenn ein Guide ein Navi benutzt.

Die Wahrheit ist aber ganz anders. Man halte sich erst einmal vor Augen, was man als Bike Guide alles so können sollte – und ich kann mitreden, da ich seit vielen Jahren selber guide. Und zwar mit dem Anspruch einerseits natürlich nach einem Tourenschema vorzugehen, andererseits aber auch immer Flexibilitätspfeile für alle Eventualitäten im Köcher zu haben. Was sollte ein Guide also mit blinder Sicherheit beherrschen?

Stefan Schlie - Bikeguide1. Sicheres Fahrradfahren

Zum Ersten sollte man in der Lage sein, selbst so richtig gut Fahrrad fahren zu können. Eigentlich besser als alle anderen. Schon allein deshalb, um die Auswahl der Trails so treffen zu können, dass alle Teilnehmer der Gruppe maximalen Fahrspaß genießen können – und das natürlich bei höchster Sicherheit, egal wie gut oder schlecht die Vorkenntnisse sind.

Der Kunde ist König und wenn man es schafft, ihm Sorglosigkeit und Unbekümmertheit bei purem Spaßradeln zu vermitteln, dann hat man den Bärenanteil seines Jobs schon einmal gut erledigt.

2. Überblick und Einschätzung

Unabhängig von den Fähigkeiten der Gruppe, mit der man momentan unterwegs ist, muss ein guter Guide auch versuchen, Wetterfaktoren mit in die Tour zu integrieren. Wird es einen Wetterumschwung geben? Wird es regnen? Wird der Trail matschig und nass? Wird es in moosigen Passagen extrem rutschig? Ist meine Gruppe dafür gewappnet? Muss ich umplanen? Wieviel Risiko kann ich einbauen? All das muss ich rechtzeitig vorher bedenken, um die Sicherheit für meine Teilnehmer zu gewährleisten.

3. Kontrolle behalten

So, Guide kennt den Weg, hat sich morgens „wetterschlau“ gemacht – auf geht´s! Was hat nun das GPS-Gerät mit der Sache zu tun?Wenn ich mit meinem Edge 810 unterwegs bin, habe ich das Gefühl gerüstet zu sein. Ich habe in meinem Cockpit alles unter Kontrolle. Fangen wir mit der kritischsten Komponente an: der Navigation. Wenn ein Kunde sieht, dass ich nach Linie fahre, denkt er sich im ersten Moment: Was ist das denn? Kann ich selber!

Doch ich fahre gar nicht nach Linie, natürlich kenne ich den Trail wie meine Westentasche. Doch ich denke, es kann nicht schaden, für den Worst Case ein Früherkennungssystem zu haben. Außerdem sehe ich so zwischendurch in der Natur oft irgendwelche Einstiege, bei denen ich mir einfach eine Stecknadel setze. Um dann mal in einem ruhigen Moment zu checken, ob nicht eine interessante Variante auszuscouten ist, mit der man den Touren- und Variantenschatz weiter  vergrößern kann.

Doch das Navi hat auch jede Menge zusätzliche Informationen zu bieten, die nicht zu unterschätzen sind: Wie weit bin ich schon gefahren? Wie hoch bin ich? Wie hoch muss ich noch? Ist meine Gruppe schon platt? Muss ich anhand der Kennzahlen in Erwägung ziehen, eine Abkürzung zu fahren?

Stefan Schlie - BikeguideWenn man das Gelände kennt, kann man dank GPS-Gerät auch jederzeit die derzeitige Strecke kommentieren: „Schaut mal, da oben ist der höchste Punkt. Der heisst Roque de los Muchachos. Da oben haben wir eine Höhe von 2426 Metern, jetzt gerade befinden wir uns auf 1300m. Von hier aus haben wir 5 Varianten in alle Richtungen, die uns ans Ziel bringen. Entweder eine ganz steile Passage, die zwar nur 500m runtergeht, fahrerisch aber sehr interessant ist. Oder wir schieben dort drüben 350m hoch und haben wiederum ganz andere Möglichkeiten…“

Das alles so quantifizieren zu können ist schon allein deswegen wichtig, weil viele Kunden auch ein Gerät mit dabei haben. Und wenn die dann die Urlaubsnachbereitung machen, finde ich es persönlich wichtig, keinen Unsinn erzählt zu haben.

Noch ein Vorteil des GPS-Gerätes: Wenn jemand aus irgendwelchen Gründen nicht mehr kann oder will, kann man ihm jederzeit das Gerät mitgeben, damit er sicher nach Hause findet.

4. Trainingsfaktor

Wenn ich unterwegs bin, dann mag ich einfach den Überblick haben. Mein Edge 810 ermöglicht mir nicht nur Navigation und Routing in allen Facetten, sondern auch eine Trainingskontrolle. Wie genau, kann ich mir selber zurechtbasteln. Wenn es drauf ankommt, kombiniere ich Puls mit Leistung und Trittfrequenz und anhand meiner vorher bestimmten Schwelle kann ich mich so nebenbei richtig hochzüchten. Will ich gar nicht unbedingt, aber wie sagt man so schön: besser haben als brauchen.

Stefan Schlie - Bikeguide

Mir reicht mein Puls im Guidingfall. Ich muss davon ausgehen von Anfang November bis Ende März so ziemlich jede Woche unter verschiedensten Mottos 5 Tage auf dem Bike zu sitzen. Was sagt uns das? Richtig: Kräfte einteilen! Ich bin von meiner Grundeigenschaft sehr verspielt und nehme im verantwortbaren Rahmen natürlich gern mal einen „Bergaufbattle“ an. Wenn ich das dauernd machen würde, dann könnte man darauf warten, dass ich sehr schnell platt, breit, übersäuert, unkonzentriert und genau genommen nicht mehr zu gebrauchen bin. Deswegen kontrolliere ich solche Aktionen und fahre nie lange in einem Pulsbereich, der mir nicht gut tut. Reiner Eigenschutz.

Aber die Argumentation geht noch weiter: Kunden fahren auch oft mit Pulswerten. Die vergleiche ich dann gerne mit meinen, sowohl bergauf als auch bergab. Bergab im Freeride Style haben viele Kunden übrigens höhere Pulswerte als Bergauf. Da ist es nicht selten, dass die Pumpe höher als 160 rennt und auch die 195 hab ich schon gesehen. Diese Vergleiche zeigen mir die Unterschiede zwischen mir und den anderen, um vor allem zu verstehen, wie ich die Tourenplanung aus Sicht der Untrainierten vornehmen muss!

5. Nachbearbeitung und Dokumentation

Ein wichtiger Faktor ist zudem, dass man mit Hilfe eines Navis auch professionelle Routenvorbereitung betreiben kann. Einmal hab ich vor einer Alpenüberquerung zuerst mit dem Auto meine Routen gescoutet und alles mit dem Gerät aufgezeichnet. Aus dem Gewusel an Linien hab ich mir per Base Camp meinen Track zusammengebastelt und das Ganze dann am Vorabend der ersten Etappe per Google Earth animiert und zusätzlich zusammen mit einem Höhendiagramm visualisiert. Das hat gehörig Eindruck geschaffen und ein Bild nachhaltiger Professionalität hinterlassen.

Und genauso kann man natürlich Tourenwochen dann auch nachbearbeiten – und mit beeindruckenden Zahlen, wie Gesamtkilometern, Gesamthöhenmetern etc. den Kunden auch ein Resümee als Erinnerung mitgeben.

Aber auch für andere Begebenheiten kann man das nutzen: Wenn ich zum Beispiel Reifenprototypen teste, dann schneide ich beim Testfahren alle Bewegungen mit, um auch hier eine konkrete, nachvollziehbare Dokumentation zu erhalten.

Stefan Schlie - Bikeguide6. Vorbereitungen für den Worst case – Heli und Koordinaten

Was man sich als Guide natürlich niemals wünscht: ein böser Unfall, bei dem man den Teilnehmer nicht mehr alleine vom Berg bekommt. Auf Pfaden, die unter Umständen nicht bekannt oder auch sehr schlecht erreichbar sind. Im ungünstigsten Fall zählt da jede Sekunde und als Guide sollte man in kürzester Zeit in der Lage sein, dem Rettungstrupp oder gar dem Heli zu erklären, wo genau man gerade ist. Koordinatenangabe und Entfernung von einem bekannten Punkt können da Leben retten! Somit ist im Fall der Fälle ein GPS-Gerät nahezu unersetzlich.

Fazit: Die Erfahrung des Guides ist nicht zu ersetzen. Doch die Hilfe des GPS-Geräts erweitert seine Professionalität! Ohne Navi unterwegs zu sein ist eigentlich fahrlässig. Als guter Autofahrer nutze ich ja auch den Gurt – und das trotz der Tatsache, dass ich Auto fahren kann!

Schreibe einen Kommentar